Jeden Tag gibt es ‘die Gruppe’. Zwei Stunden sitzen wir zusammen. Der Therapeut gibt manchmal die Richtung vor, manchmal nicht. In dieser Gruppe sind einige, die wirklich etwas zu erzählen haben. Einige, die schon eine Weile hier sind und demnächst entlassen werden. Gerade sie sind für mich sehr, sehr interessant. Da ist dieser ‘bärige’ Kerl, klein und untersetzt aber recht beleibt. Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Genau die Sorte von Trinker, denen man besser aus dem Weg geht, wenn sie ‘breit’ sind.

Neben ihm sitzt unser Gruppensprecher, ihm sieht man die Jahre des exzessiven Trinkens an, sein Blick ist aber offen wie alles, was er sagt. Mit ihm diskutiere ich oft und gerne.

Ein Kontrast dazu ist der stämmige Typ mit den dunklen Haaren und den dunklen Augen. Er wirkt immer sehr verschlossen. Wenn er in der Gruppe erzählt, kommt schnell heraus, dass er ein verdammt hartes Los gezogen hat.

Dann ist da der Typ mit dem gepflegten Bart, er scheint sich für etwas Besseres zu halten. Wolf ist der typische Gruppentherapeut und das meine ich im negativen Sinn. Er gibt anderen mehr oder weniger gute Ratschläge und weiß so vieles besser. Doch er tut sich selbst damit nichts Gutes. Er lenkt damit nur von sich und seinen Problemen ab.

Der Rothaarige  ist schon seit einem Jahr trocken, bestand aber darauf, diese Therapie zu machen. Er will sein Problem finden, eckt mit seiner Art und Weise immer wieder bei den Mitpatienten an. Es wirkt, als gucke er durch einen ‘hindurch’, sein ständiges, spöttelndes Grinsen verunsichert mich.

Der kleine Schwarzhaarige mit der Brille ist langzeitarbeitslos und hat Partnerschaftsprobleme. Er ist recht klein und das fördert Komplexe bei ihm. Dass er jemals wieder trinken könnte, weist er weit von sich; wer das sagen würde, dem würde er eine reinhauen. Er ist die gleiche Art von Therapieverweigerung, die auch der selbsternannte Gruppentherapeut betreibt.

Dann ist da der ältere Typ, Heinz mit den roten Backen. Er gehört in eine ähnliche Kategorie. Die Balken können sich manchmal gar nicht so schnell biegen, wie er lügt. Leute wie er haben in den Gruppensitzungen nichts zu lachen – sie werden oft gnadenlos fertig gemacht.

Mein Zimmernachbar Rolf wirkt brummig, aber es ist wie mit der Schale und dem rauen Kern. Er  blüht richtig auf, je weiter die Therapie geht.

Erstaunlicher Weise brauche ich kein Ohropax mehr. In den vergangenen Monaten, in denen ich schon beim kleinsten Geräusch während des Einschlafens hoch schreckte, war Schlafen nur mit Ohrstöpseln möglich.  Nun geht es auf einmal – und das trotz des lauten Schnarchens  meines brummigen Bettnachbarn.

Der Morgen beginnt mit 4 x Blutabnahme bevor ich Frühstücken darf. Habe heute den ersten Brief von zu Hause bekommen und komme wieder ins Grübeln. Es ist Ernst hier, verdammter Ernst und mir wird immer klarer, dass sich hier das weitere Leben für mich entscheidet. Und von dieser Entscheidung hängt  dann auch die Zukunft meiner Familie ab.

Alles, aber auch alles hängt von dem ab, was hier in den nächsten Wochen geschieht und was ich daraus mache. Hier in der sogenannten ‘Punica Oase’ in Freudenholm.

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