Vieles geht mir durch den Kopf als ich durch Kiel gehe. Da ist nicht nur das Gefühl der plötzlichen Freiheit, der Möglichkeit, nach Wochen des Stationslebens einmal wieder alleine den Tag zu verbringen. Da ist noch mehr.
Am Vortag lernte ich G. kennen, 65 Jahre alt, vor kurzem Witwer geworden. Frührentner. Er tut mir leid und ich wechsel ein paar Worte mit ihm. Er ist neu, ein Frischling auf der Nachbarstation. Nein, er weiß nicht, warum er hier ist und er hat auch keinen Plan. Er lebt nun alleine und alles was er hat sind seine 4 Wände in denen er seiner Einsamkeit frönt. Er ist irgendwie schon tot und merkt es nicht.
Ich frage mich, ob es für ihn überhaupt noch einen Grund gibt, trocken zu werden, eine Zukunft, irgend etwas. Es deprimierte mich, als unser Gespräch beendet war und er in seine Station zurück schlurfte. Was würde ich an seiner Stelle machen? Ganz ehrlich: weiter saufen. Manchmal hat das Leben nichts mehr zu bieten, für das es sich lohnt, seinen Trostbringer – den Alkohol – beiseite zu stellen.
Aber ich habe noch mein Leben vor mir, ich habe eine Familie und Pläne. Viele Pläne. Eine Zukunft.
Ohne Zukunft ist alles nichts wert.
Ich atme tief durch und gehe weiter, vorbei an der Kieler Bucht. Ich bin froh, dass ich einen Plan und eine Zukunft habe.