Abstinenz – nie mehr trinken? Das ist doch unmöglich, oder?
Als mir das erste Mal jemand ins Gesicht sagte: ‘Du darfst nie wieder Alkohol trinken!’ war das ein Schock. Nie wieder? Unmöglich. Der Alkohol war mein ständiger Begleiter, meine Hilfe in der Not, die Antwort auf meine Probleme und auf den sollte ich nun verzichten? Ausgeschlossen. Ich besuchte eine Selbsthilfegruppe und verfluchte den Tag, an dem ich es tat. Nun war es offiziell, dass ich durch diesen Besuch zugab, nicht mit dem Alkohol umgehen zu können und ich musste mich noch mehr verstecken.
Im laufe der letzten Jahrzehnte hat sich in der Suchtpräventation einiges geändert. Leider zum Schlechten hin, denn es gibt immer weniger Selbsthilfegruppen und Einrichtungen, die als Anlaufstelle für den Abhängigen genutzt werden können. Einerseits durch staatliche Ignoranz, andererseits durch schlichtes Desinteresse. Warum sollte ein Arbeitsloser sich auf eigene Kosten eine Fahrkarte zur nächsten Gruppensitzung kaufen? Alleine das Geld für die Fahrkarte recht locker für einen Vollrausch. Unser soziales Netz hat dünne Maschen und das ist gut so. Andererseits: wie soll ein Mensch motiviert werden sein Leben zu ändern, wenn er kein Ziel im Leben hat oder sich in seiner vom Sozialamt finanzierten Wohnung den ganzen Tag lang 300 und mehr Fernsehsendungen reinziehen kann?
So lange man seinen Job hat, so lange man sich in sozialer ‘Sicherheit’ befindet, so lange hat man ein Ziel und somit eine Motivation, mit dem Trinken aufzuhören. Denn: trinke ich weiter, ist der Job weg und mein sozialer Abstieg beginnt. Das gleich gilt insbesondere für den, der eine (noch) intakte Ehe/Familie hat.
Ich muss mir klar werden, warum ich mit dem Trinken anhören muss. Gibt es keine Gründe, so werde ich es niemals wollen, trocken zu werden. Natürlich gibt es auch zahllose Beispiele, denen ich schon begegnet bin. Sie sind sozusagen trocken ‘mit der Faust in der Tasche’. So wie Klaus, der eine Abstinenzler-Gruppe leitete mit Wut im Bauch gegen den Alkohol 20 Jahre lang predigte. Aber sieht so trockene Zufriedenheit aus? Sicherlich nicht. Klaus wurde rückfällig und starb nach verdammt kurzer Zeit.
Ja, ich muss es wollen und den ersten Schritt machen. Doch der weitere Weg ist schwer, verdammt schwer. Aber es gibt ihn.