Inzwischen ist der 23. Patient verschwunden, wie es heißt. Das bedeutet, Therapieabbruch durch Rückfall, jedenfalls in den meisten Fällen. Für mich ist es Zeit, mich für die ETT (Externe Therapietage) vorzubereiten. Dabei beginne ich mit der sogenannten Zwischenbilanz angefangen, die jeder Patient zur ‘Halbzeit’ abliefern muss.

Ich schreibe genau das, was ich gelernt und dabei empfunden habe, ohne etwas zu beschönigen. Dann melde ich mich bei der Stationsleitung ab und gehe zum Bus.

Mir ist mulmig zumute, der Gedanke an die Zukunft beschäftigt mich. Es ist natürlich das Treffen mit meiner Familie und die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Während ich auf den Bus warte, höre ich einen Kuckuck, oder ein Käuzchen. Mir fällt die Erzählung meiner Mutter ein, dass sie oft die Schreie dieses Vogels gezählt hat und von ihnen ableitete, wie lange sie noch zu leben hatte. Auch ich tue das und das Ergebnis macht mir Mut. Der Bus kommt und ich fahre bis Plön mit. Die Bahnfahrt wird sehr angenehm, ein Gefühl von Freiheit umgibt mich. Mir geht ein Lied durch den Kopf:

‘I take my seat on the train, yea
And let the sun come melt my pain, yea
Come tomorrow, I’ll be far away
In the sunshine of another day…’

Das Wiedersehen mit meiner Frau wird, wie ich es erwartet hatte. Sie ist skeptisch, aber trotzdem voller Hoffnung. Ihre Eltern haben uns zum Grillen eingeladen. Schwiegervater hat noch Besuch und hastig werden die alkoholischen Getränke weggeräumt. Eine Bierflasche bleibt allerdings auf dem Tisch stehen, ich lächle nur, denn Bier scheint wohl nicht als Alkohol zu gelten. Mit meinen Schwiegereltern spreche ich dann über das bisher Erreichte, später, mit meiner Frau alleine, reden wir beide noch lange. Wie es weitergeht? Die Zeit wird es zeigen, ich gebe keine Versprechen ab.

Es geht zurück in die Punika-Oase. Alles ist gut gelaufen, finde ich. Doch wo ist Neil, der stämmige Typ mit den dunklen Haaren und den dunklen Augen? Er wurde entlassen, mir fällt das Atmen schwer, ich liege in meinem Bett und denke an Neil, als der Feueralarm mich aus den Gedanken reißt.

Die Nachtschwester Christa hatte sich ausgesperrt und dann versehentlich Alarm ausgelöst. Bis 22.35 warten wir vor der Klinik, um wieder in sie Zimmer zu können. Seit diesem Abend lief sie übrigens nur noch mit Schlüssel um den Hals herum.

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