Der Bus fährt nun an einigen großen Kastanienbäumen vorbei bis direkt vor den Haupteingang der Klinik. Die Suchtklinik.

Die beiden Männer steigen aus und forderten mich auf, ihnen zu folgen. Es geht nun einen Gang hinunter bis in den Keller. Vor einer Tür soll ich warten. Drinnen sind laute Stimmen zu hören, ein Streitgespräch. Es dauert, bis ich das Stimmengewirr hinter der Tür unterscheiden kann. Zwei Personen, eine weiblich, die andere männlich, sind sich nicht so ganz einig. Schließlich kommt eine beleibte Frau mit kurzen schwarzen Haaren schnellen Schrittes aus der Tür heraus, blieb kurz stehen und fragte mich, ob ich der Neuzugang sei.

Danach werde ich in das Zimmer geschickt und der Mann – nicht älter als ich – fordert mich in einem forschen Ton auf, den Oberkörper freizumachen und zu warten. Es ist kühl in dem Zimmer, das Fenster ist geöffnet und während ich wartete, telefoniert der Arzt, für den ich ihn zunächst irrtümlich hielt, im Nebenzimmer fast 10 Minuten lang. Nachdem er endlich zurückkommt, beginnen die üblichen Routineuntersuchungen wie Puls- und Blutdruckmessen. Zwischendurch bemerkt er:

‘Sie sind ja noch ganz schön drauf, wie? Das merke ich gleich an ihrem Zittern! Gurkenhammerstark ist das!’

Blödmann, stehe du hier mal halbnackt in der Kälte, dann frierst du auch! Seine Bemerkung ärgert mich sehr, denn seit 3 Tagen habe ich nichts mehr getrunken und glaube, jetzt wieder ruhiger zu sein. Hätte ich damals schon geahnt, dass dieser Mann vor mir die Klinik verlassen werden wird, hätte es mich in dem Moment sehr gefreut.

Mit meinen Koffern bewaffnet, folgte ich ihm dann auf die Station, wo sich für mich noch sehr viel ereignen würde. Es gibt hier mehrere Stationen und jeweils eine Etage bildet eine Wohneinheit der Patienten. Jede Wohneinheit hatte ihren eigenen Therapeuten und einen Gruppensprecher, der die Belange der Mitpatienten vertritt.

Der Gruppensprecher begrüßt mich und zeigt mir mein Zimmer. Mein Mitbewohner macht einen sehr trägen Eindruck. Lange Gespräche mit dem sind wohl nicht drin, denke ich. Später folgten noch weiteren Untersuchungen und die Mitgabe von etlichen Fragebögen, die ersten der 1000 Fragebögen wie mir jemand hämisch zu rief.

Das Abendessen besteht heute und in nächster Zeit aus mehreren Scheiben Graubrot, die jeweils 4 Tischnachbarn teilten. Dazu gab es Aufschnitt wie Wurst und Käse und wahlweise Milch oder Tee. Gegessen wurde mit Messer und Gabel, das essen mit der Hand war verpönt.

Der erste Tag endet in der Küche, wo ich mich mit den Mitpatienten bekannt mache und tatsächlich  setzen einige sich vor mich hin: ‘So,  jetzt erzähl uns mal alles von dir, wieso bist du hier?’

Überrascht, aber dennoch erleichtert, mit ‘Gleichgesinnten’ zu reden, erzähle ich. Vielleicht hat mir dieser Moment Impulse für die nächsten Monate gegeben, auch wenn dieses erste Gespräch weder sonderlich interessant noch aufschlussreich war, doch eines wurde mir klar:

Hier, und nur hier kannst du reden. Hier, und nur hier kannst du jetzt etwas erreichen. Was gewesen ist und wer du bist, zählt nicht, hier sind alle gleich. Einige von uns werden wiederkommen, andere nicht. Von den anderen werden es einige schaffen. Zu denen will ich gehören und dieses Ziel zu erreichen ist mein einziger Wunsch.

Gegen 23.00 Uhr geht es in Bett. Ich denke an zu Hause. Ich heule.

One thought on “Die Therapie – Hier, und nur hier”

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