Diese langen Spaziergänge, ich genieße sie. Ich brauche Zeit für mich alleine, um alles noch einmal Revue passieren zu lassen. Freitag. Die Gegen hier ist dafür ideal, einsame Landstraßen, Feldwege, manchmal begegnet man stundenlang keinem Menschen. Aber einer leeren Kornflasche. Sie liegt am Wegrand. Ort und Zeit stimmen nicht, sonst hätte es meine gewesen sein können. Es ist ‘meine’ Marke. Was will sie mir sagen? Ich nehme die Flasche in die Hand und betrachte sie.  Es ist gut, dass wir beide hier ganz alleine sind, denn falls mich jemand mit einer Flasche Schnaps am Wegrand sieht, könnte es schlimme Missverständnisse geben. Aber wir sind alleine, die Flasche ist fast sauber, ein kleiner Schluck, vielleicht ein Fingerhut voll, ist noch drin. Ich horche in mich hinein: was empfinde ich, was sagt mein ‘Bauchgefühl’? Aber da ist nichts, keine Angst und kein Verlangen.

Meine Gedanken gehen zurück, es ist Sonntag. Unter einem Vorwand verlasse ich die Wohnung und beeile mich, zur nahe gelegenen Tankstelle zu gelangen. Der extra große Flachmann ist mein Ziel, er wird mir helfen, mich besser zu fühlen. Nur er kann mir gegen diese innere Leere helfen, gegen die Unruhe, das Zittern. Ich suche einen Platz, an dem mich keiner sehen kann und leere die Flasche, dieses ‘Gluck-Gluck’ beim Trinken beruhigt. Dann landet die leere Flasche am Wegrand. Mein Puls rast, beruhigt sich aber schnell. Hat mich jemand gesehen? Scheinbar nicht. Mein Blick scheint ein wenig ‘schwammig’ zu werden, ein beruhigendes, bleiernes Gefühl macht sich breit. In meiner Hosentasche ist noch ein Geldschein. Der Tag ist noch lang, besser ich nehme noch Vorrat mit. Der Tag ist in diesem Moment beendet.

Mein Blick trifft wieder die leere Flasche. Sie kann nichts dafür. Ich lege sie an den Wegrand zurück. Vergangenheit.

Als ich dieses Erlebnis in der Gruppe erzähle, grinst der Rothaarige und spricht von Suchtverhalten und ‘Rückfall im Kopf’. ‘Du tastest dich wieder an den Alkohol heran!’ sagt er. Mag sein, dass das so aussehen mag, aber meine Empfindungen kann er nicht fühlen. Ich bin froh und auch erleichtert über diese Empfindungen, denn sie sind echt. Und das weiß nur ich.

Die ersten beiden Wochen sind herum. Endlich ist die sogenannte ‘Informationsphase’ beendet und ich darf nun an der Werktherapie und – was mich besonders freut – am Sport teilnehmen. Auch soll ich meine Therapieziele für jeden sichtbar im Gruppenraum aufhängen. Es fällt mir nicht schwer, die zu definieren. Das Wichtigste steht an erster Stelle: Offenheit – mir selbst und anderen gegenüber.

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