Waren die letzten Tage sonnig, so schlägt das Wetter nun um. Es geht vielen auf das Gemüt. In der Werktherapie bin ich – wie erhofft – der Tischlerei zugeordnet worden. Der Werkstherapeut, ein freundlicher, kleiner, älterer Herr mit wenig Haaren auf dem Kopf hört sich geduldig an, als ich ihm sage, dass wir Nachwuchs erwarten und dass ich gerne einen Wickeltisch bauen möchte. Auf meine Frage hin, wo denn Holzplatten zu finden sind, lacht er nur und sagt: ‘Die machen wir uns selber, kommen Sie, kommen Sie!’ Dann nimmt er Bretter, zeigt mir wie sie geschnitten, bearbeitet und geglättet werden. Der Mann strahlt Energie aus und diese Energie steckt mich an. Er zeigt mir wie es gemacht wird und ich lerne praktische Dinge, die ich in den nächsten Jahren noch oft brauchen werde.Von nun an freue ich mich jeden Tag auf die zwei Stunden, die ich zwischen Werkzeugen und Sägespänen verbringen werde.
Zwischendurch mal wieder ein Wochenende und das bedeutet, dass es keine Gruppensitzungen oder sonstigen Veranstaltungen gibt. Ich nutze die Zeit, Kontakte zu pflegen, Karten oder Briefe zu schreiben. Das Gelände darf ich in den ersten beiden Wochen gar nicht, danach nur in Begleitung von ‘alteren’ Mitpatienten oder unter Aufsicht des Personals verlassen. Das stört mich nicht sonderlich, denn ich kenne die nähere Umgebung noch nicht und so gehe ich mit einigen ‘alten Hasen’ in die nächste Stadt und gönne mir dort einen neuen Füllfederhalter. In der nächsten Zeit will ich vieles aufschreiben.
Zu meiner großen Freude fährt alle zwei Wochen ein Bücherwagen auf das Gelände und es können sich Bücher ausgeliehen werden. Ich suche mir neben der üblichen Trivialliteratur auch Bücher über Erziehung heraus. Ich ahne nicht, dass sie mit noch sehr, sehr hilfreich sein werden. Natürlich waren diese Bücher über Erziehung und Psychologie bei Kindern dafür gedacht, mich auf meine Vaterrolle vorzubereiten. Ja, ich gebe es gerne zu: ich hatte Angst vor dieser Vaterrolle. Ich dachte an ‘Bergler’, die damalige Kneipe, wo ich meinen Vater so manches Mal auf Mutters ‘Befehl’ hin nach Hause bringen musste. Dann erfolgte ein Zeitsprung in meinem Kopf und ich sah mich, wie ich den Kinderwagen parkte und in die Tankstelle ging, um Schnaps zu kaufen.
Nein! Verdammt nein! Die Geschichte darf sich nicht wiederholen!