Suche nach Gründen

“Dann hör doch einfach mit dem Trinken auf!”

Ihr Ahnungslosen – der Alkohol ist doch mein einziger Problemlöser, ohne ihn ist das Leben unerträglich! Auch hat er sich in all den Jahren so wunderbar angepasst; mein Körper hat ihn in seine chemischen Abläufe eingebunden. Das merke ich jedes Mal so richtig, wenn mein Körper zittert. Nicht nur der Kopf braucht eine alkoholische Betäubung, auch der Körper. Etwas läuft also anders bei mir und all die Erklärungen der verschiedenen chemischen Abläufe in meinem Gehirn, des genetischen Defekts der mich zum Saufen bringt, hilf mir da nicht wirklich weiter. Ich weiß, dass der Stoffwechsel des Botenstoffe Serotonin und des Dopamins im Gehirn bei mir gestört sind. Sie sind sozusagen für das ‘Glückgefühl’ zuständig und sie funktionieren nicht mehr. Jeder Alkoholiker kennt das, es gibt keine Freude mehr. Außer nach Genuß der bevorzugten Hausmarke oder was immer verfügbar ist. Neue Dinge interessieren mich nicht mehr, ich lebe nur noch in der Vergangenheit.

Ja, ihr ‘Normalos’ könnt trinken, ich nicht. Ihr habt doch auch Probleme und das nicht zu knapp. Also warum sauft ihr nicht? Es kann also an den Problemen und/oder nicht verarbeiteten Erlebnissen nicht alleine liegen, sonst müsste ja die gesamte Menschheit im Alkohol ertrinken. Oder in Drogen – doch lassen wir jetzt mal die harten Drogen aus dem Spiel; ihr Suchtpotential spielt in einer anderen Liga.

Wenn es also nicht nur die Probleme sind, die einen Menschen in den Alkoholismus treiben, was ist es dann? Wo sind dann die Unterschiede in der Problembewältigung zu ‘Normalos’? Richtig, da ist schon mal der Umgang mit mit Problemen oft ein völlig anderer.

Habe ich es nicht gelernt und hat es mir niemand beigebracht, wie Probleme des Alltags zu bewältigen sind, dann habe ich zwei Möglichkeiten: Ich schiebe die Dinge vor mir her bis zum GAU oder ich bitte jemand um Hilfe. Für mich war es übrigens damals brutal, wenn die Älteren, bzw. die Eltern von ‘kleinen Sorgen’ redeten (‘das gibt sich schon’). Nämlich die kleinen Sorgen der Kinder und Jugendlichen wie ich es war. Für die nämlich sind die vermeintlich kleinen Sorgen ganz riesige Berge, unüberwindbar vor denen sie alleine stehen. Alleine, weil ihre Sorgen nicht ernst genommen werden oder werden können, weil die Sorgen der Älteren im Verhältnis ebenso groß sind.

Es gibt nicht den Grund, also einen bestimmten Grund aus dem jemand trinkt. Es sind immer die Summen vieler Gründe. Es war nicht alleine die Tatsache, dass auch meine Eltern tranken. Es war nicht nur der Rücksturz damals aus der totalen Freiheit in die Unerträglichkeit der Realität. Es war nicht ausschließlich irgendein genetischer Defekt in meinem Gehirn. Es war alles zusammen.

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